Ich hab auf facebook heute ein Foto geteilt und möchte jetzt doch noch mehr dazu sagen.
Konkret handelt es sich um dieses Foto, dass einen Ausschnitt aus seinem Arbeitsbuch zeigt:
Ich möchte nun die Geschichte erzählen die dahinter steht. Auch weil sich in meinem Kopf momentan Fragen über Fragen aufwerfen.
Vorweg: das ist das erste mal dass seine Lehrerin was durchgestrichen hat.
Also. Wo fang ich an.
Am 23. 10 schrieb seine Lehrerin ins Mitteilungsheft dass Benjamin bitte nicht in seinen Büchern vorarbeiten soll.
Am 31. 10 schrieb sie.
Benjamin vergisst sehr oft seine Hausübungen. Bitte kontrollieren Sie täglich ob er sie gemacht hat.
Daraufhin antwortete ich – Zitat wobei ich meine Gedanken dazu in eckige Klammern [Anm:…] setze:
Ad Hausübungen:
Ich kontrolliere jeden Tag welche Aufgaben er auf hat, und unterschreibe dass ich es gesehen habe.
Ich bereite ihm ein Umfeld in dem er seine Aufgaben machen kann. [Anmerkung: das steht in der Schulordnung die ich zu Jahresbeginn unterschreiben musste.]
Ich finde Hausaufgaben aber nicht sinnvoll und werde ihm das auch nicht vorgaukeln (Empfehlung: Studie der TU Dresden von 2008, „Hausaufgaben sind überflüssig“). Da er sich massiv dagegen sträubt wenn man Druck ausübt [Anm: Gutes Kind 🤗], mache ich keinen! Manchmal macht er sie von alleine und ich finde das ist die beste Lösung. Beim Elternforum meinten sie, dass sie Hausübungen aufgeben weil die Nachmittagsbetreung sich das wünscht. Er geht aber nicht in die Nachmittagsbetreung, und es fällt uns nicht schwer uns eine sinnvolle Beschäftigung zu suchen.
Belohnungs-/Bestrafungssysteme: (absichtlich zusammen genannt, weil es dasselbe ist)
Solche lehne ich ab. Denn er soll nicht für mich oder für Sie lernen, sondern für sich. Und auch nicht für Lego [Anm: oder Fernsehzeit.. Das war einer ihrer Vorschläge]. Auch – weil Sie das ebenfalls am Tag bzw. Abend des Elternforums erwähnt haben – ist es für mich keine Option ihn dafür zu bestrafen dass er sich schwer mit den Hausübungen tut. Das ist auch pädagogisch nicht wertvoll.
Mein Bestreben ist im Moment, ihn für Bücher und fürs Lesen an sich zu motivieren. Das Schreiben – egal ob jetzt D oder M [Anm: M ist sowieso kein Problem] – kommt damit ohnehin.
Ich helfe ihm bei seinen Hausübungen wenn er mich darum bittet, und er bittet auch seinen Bruder alle paar Tage ihm beizustehen. Es wird also ohnehin besser. Und ich bin zuversichtlich dass das nicht abreißt.
Ich habe auch keine Angst davor, dass er auf der Strecke bleibt. Das entspricht einfach nicht meiner Einstellung. Nämlich: dass jeder Mensch, alles lernen kann was ihn oder sie begeistert. Ziel muss es also sein, in dafür zu begeistern.
Und weder Druck, noch Zwang, noch Sternchen, noch Gefasel über den Ernst des Lebens Vermögen es Begeisterung zu entfachen. Aber ich weiß auch, dass er sich dafür begeistern werden wird können, wenn seine Zeit dafür gekommen ist.
Und wenn das nich in den Lehrplan passt, dann finde ich das zwar schade, werde aber trotzdem nicht manipulieren. Denn, wie man so schön sagt:
Gras wächst nicht schneller wenn man daran zieht.
Persönlich – hätte ich bevorzugt, wenn beschlossen worden wäre auf Noten zu verzichten, aber ich muss halt auch nehmen was ich bekomme.
Weiters ist Benjamin im Schnitt alle zwei Wochen – unter der Woche – zu Besuch bei seinem Vater. Anders geht es nicht. Was dort passiert oder nicht, kann ich maximal im Nachhinein sagen.
Am 31. Schreiben Sie er hat „D, Ma, L“ auf, zwei Seiten davor steht vom 23. Dass er nicht vorarbeiten darf und nur gekennzeichnete Aufgaben zu erledigen sind. Aber immer wimmer sind keine Markierungen zu finden. Auch heute nicht.
Ganz abgesehen davon dass über Wochenende sowieso keine Hausaufgaben aufgegeben werden dürfen UND Aufgaben so ausfallen müssen dass der Schüler/die Schülerin sie ohne Hilfestellung erledigen können müsste… Rein rechtlich.
Dass kann er aber nicht immer. Und genau dann macht er sie nicht. Eine nicht gemachte Hausübung ist also weniger ein Zeichen dass ich mich nicht kümmern würde, als vielmehr ein Ausdruck dafür dass er ansteht. Bloß mag er das vor mir dann auch nicht so gern zugeben, weshalb ich ihm dann auch nicht immer weiterhelfen kann.
Aber das sprengt hier den Rahmen. Für heute ist es genug. Ich freue mich auf ein Gespräch mit Ihnen.
F. V.
Am Montag gab es keine Rückmeldung [Anmerkung er hatte von Mittwoch bis Sonntag keine Schule]. Am Dienstag haben wir uns bei einem Tür und Angelgespräch – bevor sie es gelesen hatte – einen Gesprächstermin ausgemacht.
Nun kommt er heim und hat einerseits im Heft die Arbeit durchgestrichen und andererseits würde ihm eine bereits gemachte Seite aus dem Ziffernschreibkurs ausradiert, damit er sie nochmal schreiben kann.
Er fühlt sich jedenfalls ziemlich vera*scht.
Nun frag ich mich,
… Ob das für einen Schüler der grad 2 Monate in der Schule ist wirklich so gravierend unordentlich ist, dass ein durchstreichen gerechtfertigt ist?
… Ob ich es nicht hatte schreiben sollen?
… Ob das nicht doch eine Überreaktion der Lehrerin ist?
… Wodurch – außer durch meine Mitteilung – diese Überreaktion noch hätte ausgelöst werden können?
… Wie oft das bisher schon so gehandelt wurde? [Anm: noch nie, er bekommt Sternderl/Stempel oder einfach gar nix, aber durchstreichen kam noch nicht vor selbst wenns noch übler aussah.]
… Obs nach 9 Wochen wirklich nur gut ist wenns perfekt aussieht!
… Ob ich alles lesen kann was mein Arzt per Hand notiert?
… Wenn es wirklich um meine Mitteilung geht: ob es in Ordnung ist das an ihm auszulassen?
… ob das eine Art Retoukutsche ist?
… Ob das der Montessoriansatz oder die ’neue Autorität‘ sein soll mit der sich die Schule so schmückt?
[Anm: Was ist ’neue Autorität‘
Neue Autorität ist ein systemischer Ansatz, der Personen mit Führungsverantwortung (Eltern, LehrerInnen, Sozialpädagogen, Führungskräfte, Gemeindepolitiker, usw.) stärkt und ihnen wertvolle Möglichkeiten erschließt, für eine respektvolle Beziehungskultur zu sorgen und positive Entwicklungsprozesse in Gang zu bringen.
Sieht das dann wirklich so aus?
… Ob zwei Erwachsene Menschen nicht unterschiedlicher Meinung sein können – ohne das auf dem Rücken eines Kindes auszutragen!!
… Ob man dadurch versucht mich abzuschrecken oder gar mundtot zu machen, damit ich mir in Zukunft vorher denk: ‚lieber nichts sagen, sonst schadets am Ende wieder ihm!‘ ?
… Ob ich – wenns um ihn geht – einfach wirklich bildungsmäßig jedes mal ins Klo greif?
… Und so weiter und so fort…
Ich hoffe ich kann die Fragen klären.
Alles Liebe.
Victoria
Liebe Victoria, ich kann deine Gedanken dazu absolut verstehen. Meine Tochter geht jetzt in D in die 3. Klasse und auch ich musste ganz schön schlucken, wie es dort teilweise zuging. Weil meine Tochter einfach nicht in der Lage war, schön zu schreiben (vor allem als die Schreibschrift eingeführt wurde) bin ich auf Ursachenforschung gegangen und habe zufällig ein Buch in der Bücherei entdeckt welches ich sehr empfehlen kann. Es heißt „Wer nicht schreibt, bleibt dumm“. Keine Angst, der Titel ist provokant, da es sich um eine Streitschrift handelt aber mir hat es in vielen Punkten Klarheit verschafft, was es mit der Schrift auf sich hat und vor allem auch, wie ich meine Tochter von Anfang an mit Liebe und Verständnis unterstützen kann. Es lag nämlich gar nicht an ihr, sondern an der Vermittlung der Schrift. Vielleicht interessiert es dich ja auch…. 🙂
Bei den Hausaufgaben mache ich es so, dass ich jetzt 1 Stunde (in der 1. Klasse 20-30 Minuten) darauf geachtet habe, dass sie die Hausaufgaben (in jedem Fach) beginnt. Nach der abgelaufenen Zeit habe ich abgebrochen und im Heft vermerkt, dass die Zeit ausreichend war und mehr nicht geschafft wurde. So kam ich meinen „Pflichten“ nach und meine Tochter hat trotzdem ganz gut mitgemacht.
Laß den Kopf bloß nicht hängen aber gehe auch nicht zu sehr in den Machtkampf mit der Lehrerin. Das zermürbt letztendlich nur alle und das wäre ja auch irgendwie schade… Auch wenn es am Anfang nicht so wirkt gibt es doch noch einige Schlupflöcher, wie man sich die Schule doch noch ganz angenehm gestalten kann. Homeschooling gibt es in D leider gar nicht…
Liebe Grüße,
Mel
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Danke für den Tipp. Werd ich mir auf jeden Fall ansehen.
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Puoh. Heftig. Ich bin selber Grundschullehrerin und Mama, teile deine Ansichten und Einstellung (was nicht ganz kompatibel ist, mit Punkt 1, zugegebenermaßen) und mir wird echt übel, wenn ich das Foto „arbeite ordentlicher“ sehe!!! Es macht mich wütend und traurig, dass den Kindern die Freude am Lernen ausgetrieben wird und deine Antwort ist 1a!!!
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Vielen Dank für deine Antwort.
Ja leider hat es sich weiter verschlechtert.
Bis zu den Ferien. Da hatte er dann endlich ein paar Tage ruhe und ich hab ihn auch mit dem Thema Schule in ruhe gelassen. Nach 8 Tagen Ferien hat er dann begonnen zu schreiben (was er seit Schulbeginn nicht mehr gemacht hat – davor hat er sich immer wieder probiert, aber seit September hat ers wirklich gehasst)
Ein paar Tage Abstand Taten ihm wirklich gut. Und dadurch dass er selbst den Zugang wieder gefunden hat, hats bei ihm dann auch gleich klick gemacht. Er tut sich jetzt bedeutend einfacher mit dem Lesen als vor 3 Wochen.
Das Schreiben ist nach wie vor eine Katastrophe – ich hoffe er schafft es auch hier seine krampfhafte Haltung abzulegen. Die er nur in Schreiben hat. Mathematik und malen geht ihm wunderbar leicht von der Hand.
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