Es ist ein bisschen so wie Kinder für Brokkoli zu begeistern – oder anders: die fünf Phasen einer Krise

Hallo meine Lieben
Gemüsiger als im Titel wirds nicht mehr.

Den vergangenen Freitag haben wir genutzt um der Bildungsdirektion Wien (ehem. Stadtschulrat) einen Besuch abzustatten um die Kinder für nächstes Jahr vom Schulbesuch abzumelden. Leider fehlte bei Liliths Schulreifebestätigung der Zusatz dass sie „als ordentliche Schülerin“ geführt werden würde. Also schrieb ich noch am Freitag eine Mail an die Direktorin der Einschreibungsschule um diese zu erbitten, und bot gleich an diese auch persönlich abholen zu kommen.

Am Montag antwortete die Direktorin dass ich mir „die Abmeldung“ am Donnerstag abholen könnte. Ich unterließ es Sie darauf hinzuweisen dass, dem nicht so ist und bedanke mich einfach.

Heute ist besagter Donnerstag und ich habe mir vor 9 die Bestätigung abgeholt.

Ich trat nachdem ich mich durch klopfen angemeldet habe – und die Einladung „herein“ zu kommen abgewartet hatte -, durch die bereits vorher offenstehende Tür und wurde gebeten mich zu setzen.

Ich nahm das Angebot ohne Umschweife an.

Die Direktorin nahm das vorbereitete Schreiben in die Hand, legte es wieder auf den Tisch und behielt eine flache Hand darauf. Ich hielt Thabea mit beiden Händen, hätte also ohnehin nicht hingegriffen, aber die Haltung würde selbst weniger aufmerksamen BeobachterInnen sofort die Intention der Direktorin offenbaren. Ich ahnte es jedenfalls und mein Vorahnung bestätigte sich sofort. Und so wurde das Schreiben auf ihrem Tisch nun als Geisel festgehalten, um die Möglichkeit mir Ihre Meinung zum Thema häuslicher Unterricht zu sagen, wahrnehmen zu können.

Leugnung

Sie begann mit der Frage warum ich mein Kind zum häuslichen Unterricht abmelden will – welche sich jedoch als rein rhetorisch herausstellte – weil sie direkt hinterher und natürlich ohne Umschweife anfügte, dass ich meine Kinder dadurch auf vielen Ebenen beraube. Dass Schule dazu da ist soziale Kompetenzen zu schulen (persönliche Anmerkung hier im Text – nicht vor Ort.. das gilt ja eher für Kinder die bereits von Haus aus gute Voraussetzungen mitbringen, bei problematischen Schülern klagen die Schulen nämlich wieder dass das schon die Verantwortung der Eltern ist, dass man das nicht von Ihnen erwarten könne wo doch die Bedingungen eh nicht so einfach sind und was sie nicht noch alles abdecken sollten. O-Ton) und Freundschaften geschlossen werden können (ja, aber doch nicht nur in der Schule). Erwähnte unter anderem, dass Kinder von Ausflügen profitieren… (Mein Großer war in den letzten 2 Jahren Schulbesuch insgesamt 6x im Blumengarten Hirschstetten, 2x im Kino und 5x auf einem nahegelegenen öffentlichen Spielplatz. Ich freu mich aufrichtig für jedes Kind wenn es in anderen Schulen anders ist, ändert aber nichts an dem wie es bei uns ist. Und da biete ich im häuslichen Umfeld doch wesentlich mehr und vor allem mehr Diversität. Und unter der Woche unterm Jahr geh ich auch lieber auf Ausflug weil dann auch – bis auf gelegentliche Kindergartengruppen – nichts los ist, dort wo wir hin gehen und man tatsächlich die Möglichkeit bekommt sich alles anzusehen und sich damit in Ruhe auseinanderzusetzen. Auch haben wir kein Programm dem wir zu folgen haben und keinen Zeitplan der einzuhalten ist, können uns also auch wesentlich entspannter bewegen als eine Schulklasse die das inkl. Wegzeiten in 4 Stunden stopft. Aber auch das ließ ich unerwähnt.)

Zorn

Sie fragte auch wer das Kind unterrichten wird – und statt wahrheitsgemäß mit niemand zu antworten, um mir die Entrüsrung übers Freilernen, die Standpauke, und den Rattenschwanz an Erklärungen und Klarstellungen den das nach sich ziehen würde, zu ersparen, gab ich vor dies selbst zu tun. Woraufhin man als Direktorin natürlich meine Befähigung dazu in Frage zu stellen hat… Ich glaub das gehört zum Standardrepatoir. Ist jedenfalls nichts neues.

Die Frage ob ich Lehrerin bin verneinte ich, woraufhin sie konterte warum ich mir dann einbilde das zu können (was ich nebenbei bemerkt noch nie gemacht hab, meine Überzeugung ist ja die dass es auch ohne LehrerIn funktioniert!)

Verhandlung?

Lies sie aus. Fast 10 Minuten nach meinem eintreten schloss die Direktorin ihren Monolog damit, mir eindringlich vom häuslichen Unterricht abzuraten ab und wiederholte gebetsmühlenartig ihre Überzeugung dass dabei nichts gutes rauskommen kann.

Depression

Außerdem merkte sie an dass sie traurig wäre wenn Lilith abgemeldet werden würde, weil das auch einen Verlust für die Schule bedeuten würde, da Sie Lilith als wissbegieriges und offenes Mädchen mit großem Potential kennenlernen durfte.

(Anmerkung: Schon bei der Einschreibung war deutlich wie glücklich die Direktorin und die prüfende Lehrerin war, dass wir für Lilith Ihre Schule wählten. Die Lehrerin meinte auch gleich zur Direktorin, dass sie sich Lilith in ihrer Klasse wünscht [willkür oder nicht: dem Wunsch wäre übrigens entsprochen worden, würde Sie nicht abgemeldet werden, hätte sie die Lehrerin bekommen die damals die Schulreifegeststellung mit ihr gemacht hat]. Und das war nicht selbstverständlich, denn auch damals standen die Türen der Direktion und des Lehrerzimmers sperrangelweit offen, und ich hörte wie den beiden Familien vor uns anders begegnet wurde. Bei einer der beiden Familien vergaß die Direktorin damals vorübergehend, dass sie selbst der deutschen Sprache mächtig ist, und kommunizierte, lauter und klarer als das für sie üblich war, Sätze wie „Du haben Dokumente von Derya hier?“)

Ich warf an dieser Stelle ein, dass es sich hier so verhält wie mit der Frage warum „der Himmel bzw. das Meer blau ist“. Und wagte es zu erwähnen „Sind meine Kinder so, weil ich es halte wie ich es halte – oder halte ich es so, weil meine Kinder so sind wie sie sind. 🤷‍♀️“

Ich dachte mir jedenfalls dass alles was Sie nun hervorstechend erwähnt hatte, durch einen besuch dieser Schule nicht umbedingt gefördert werden würde.

Akzeptanz?

Sie fragte mich ob ich wüsste wie es von nun an weiter geht. Ich bejahte. Sie wiederholte es trotzdem – jedoch falsch (sie meinte sie wäre für die Abmeldung zuständig – schrieb auch einen entsprechenden Satz in die Bestätigung) was ich aber ignorierte. Sie meinte dann „gut dann ist Lilith nun für den häuslichen Unterricht abgemeldet“, was ich nicht mehr ignorierte. Ich sagte „noch nicht, erst wenn die Bildungsdirektion den häuslichen Unterricht zu Kenntnis nimmt gilts“. Sie sagte sie kennt sich da nicht aus, hatte noch nie damit zu tun. Ist auch okay.

Sie sagte dann sicherheitshalber – falls ich es die ersten paar mal noch nicht gehört hab – nochmal, dass ich mir das lieber überlegen soll.

Ich sagte dass ich gehört habe was sie mir sagen wollte, dass diese Bedenken für mich nicht neu sind, dass ich spüre wie sehr sie von dem überzeugt ist was sie sagt und dass ich nicht vor habe sie davon abzubringen, meine Einstellung, Erfahrung und Meinung aber eine andere ist.

Daraufhin gab sie mir die Bestätigung mit den Worten, „Ich geb ihnen das jetzt“, las vor was darauf stand – überreichte sie mir und meinte abschließend, „aber wissens eh, man sieht sich immer zwei Mal im Leben“ (und ich dachte mir: Hä?! 🤔) und wurde von allem was sie sonst noch zu sagen vorgehabt haben könnte vom Klingeln ihres Telefons unterbrochen.

Sie nickte und winkte uns verabschiedend hinaus.

Fazit

Constantin, Laurentin und Thabea waren bei mir während des Gesprächs. Nachdem wir die Direktion verlassen haben gingen wir wieder runter ins Erdgeschoß, dort hatte ich den Kinderwagen geparkt. Ich verließ die Schule über den nicht barrierefreien Haupteingang. Laurentin ging die drei Stufen vor mir hinunter, machte am Absatz kehrt und griff an das Fußbrett des Kinderwagens um mir zu helfen den Kinderwagen auf den Hinterreifen Stufe für Stufe hinunterzulassen – nicht dass es dieser Hilfe wirklich bedurfte oder sie tatsächlich effektiv wäre, aber die Geste gehört kultiviert.

In Constantin arbeitete es und er fragte mich als wir uns schon weiter von der Schule entfernt hatten was „soziale Kompetenz“ ist. Ich erklärte es ihm. Wieder arbeitete es in ihm. Als wir Zuhause ankamen sagte er, dass er die Direktorin „freundlich und unfreundlich zugleich“ fand. Ich finde die Bezeichnung treffend, gemeinhin nennt man das aber passiv aggressiv.

Ich habe das jetzt ein paar Stunden setzen lassen und stellte in der Zeit ein paar Überlegungen an.

Die bei der ich hängen bleibe ist folgende:

Angenommen ich wäre noch nicht vollständig davon überzeugt, dass Lilith abzumelden eine gute Idee ist .. sollte mich wirklich ein passiv aggressiver Monolog – oder vielmehr ein Plädoyer – vom Gegenteil überzeugen können? Ich mein, wenn sie wirklich wollen würde, dass ich es mir doch nochmal anders überlege, hätte sie sich vielleicht nicht gleich ab ihrem zweiten Satz – der nämlich so grundlegend meinen Erfahrungen wiederspricht (sowohl denen als Schülerin als auch denen als Mutter von Kindern im Schulalter) – selbst ins Knie schießen sollen.

Würde euch das umstimmen? Mich jedenfalls nicht. Nicht mal wenn ich unsicher wär. Im Gegenteil die Aussicht 4 Jahre lang zu hören „wer nicht meine Meinung teilt ist blöd/unverantwortlich/könne das doch nicht ernst meinen/hat einfach keine Ahnung“ hätten mich glaub ich dazu bewogen mein Kind erst Recht abzumelden, und sei es nur um in dem Jahr eine andere Schule zu suchen.

Liebe Grüße

Ein Gedanke zu “Es ist ein bisschen so wie Kinder für Brokkoli zu begeistern – oder anders: die fünf Phasen einer Krise

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